Es war uns gar nicht klar, in der Schreibwerkstatt Ostern 2014, dass wir ein neues Genre des kreativen Schreibens erfunden hatten: die Fenstertexte. Das Rezept ist einfach: Jeden Morgen, mit Blick aus dem Fenster, eine Seite schreiben.
Karsten Hansen, der Fensterschreiber von Borgsum, hat sein morgendliches Schreiben am Fenster zum Ritual gemacht: ein schöner Einband aus Büffelleder, gutes, handgeschöpftes Papier in Bögen, ein Federhalter und grüne Tinte. Und sein „Wunderfenster“, morgens. Es entstand, Seite für Seite an jedem Tag des Jahres, von Ostern 2014 bis Ostern 2015, ein Buch, das einzig ist, nicht vervielfältigt, nicht technisch reproduziert.
„Das Schreiben lässt einen viel feiner wahrnehmen“, sagt er, und: er hat entdeckt, dass man aus dem Fenster sehen, aber auch von außen durchs Fenster hereinsehen kann, zu den Menschen, die da leben und über die es Geschichten zu erzählen gibt.
„Ich wollte etwas hinterlassen“, sagte er, der das morgendliche Innehalten genutzt hat, um die Geschichten seines Lebens aufsteigen zu lassen und sie, immer ein Seite pro Tag, zu erzählen.
Im schön ausgeleuchteten Raum der WDR-Galerie, vor vielen stillen ZuhörerInnen, gab er, mit zarter Stimme, seine Geschichten zum Besten, ein Handwerker, der im Alter das Schreiben zu seinem Hand-Werk gemacht hat. Wir lauschten den Geschichten vom Erdbeerhasen, von den Reisen und Erlebnissen im Nordfriesischen Raum und weit darüber hinaus, und manchmal einfach vom Lauf der Sonne und vom rosa Vollmond. Am Anfang erzählte er, wie zum Beleg der feinen Wahrnehmung, von einem Spinnennetz, das er am Fenster sah, sauber gearbeitet, eine Fliege schon als Beute eingewickelt, aber im Ganzen doch auch fragil und den Stürmen preisgegeben. Und dann entspann sich sein Netz von Fenstertexten vor den angerührten Zuhörenden.
Fenstertexte sind einzig wie die Schreibenden, und so einzigartig wie jeder Tag des Lebens.
wie schön !!!!!