InselLebensGenüsse 7

Freibeuter-Huhn, Mango-Wirsing und Strindberg
Silvester 2008

Auf meinem Gang treffe ich den Schäfer, und der erzählt mir die Geschichte vom freibeuterischen Huhn, das am Abend vor seiner Schlachtung aus dem Hühnerstall desertierte und seitdem, zwei Quersträßchen weiter, eine Existenz als freies Huhn fristet: es hat einen Baum über dem Kiosk zum Schlafbaum erkoren, dann hat ihm der Schäfer in seinem carport eine strohgepolsterte Nachmittagsschlafkiste zur Verfügung gestellt, das Freibeuter-Huhn hat viele kleine geflügelte Freunde, die sowieso Freibeuter sind (… sie säen und sie ernten nicht…) und es hat menschliche Nachbarn, die Körner und Brotkrumen streuen und ihre Katze mit Kaltwassergüssen vom Hühnerjagen abhalten. So lebt es jetzt, statt als Suppenhuhn gestorben zu sein, und erfreut und inspiriert alle um es herum. Natürlich ohne es zu wissen, aber wer weiß…

Der Wirsing auf dem Feld des Biobauern hat jetzt den ersten Frost genossen und kommt zu mir, eben geerntet, ganz kalt, mit Eis zwischen den vielfach gefältelten Blättern. Ich habe noch eine Mango, die gegessen werden will, und kombiniere die beiden Genüsse:

Mangowirsing

Ich brate in Butter zwei Zwiebelchen und eine kleingeschnittene Möhre an und würze mit etwas Ras-el Hanout (www.kochenundwuerzen.de), ersatzweise geht auch ein mildes Curry und etwas Zitronen- oder Orangenpfeffer (Spice Island). Vor dem Ablöschen mit heißen Wasser kommt eine Handvoll Rohrzucker hinzu, Zwiebeln und Möhrchen werden kräftig gerührt und schön überglänzt. Kleingeschnittener Wirsing dazu, nochmal kräftig rühren, heißes Wasser, Deckel drauf und simmern lassen.

Ich habe Kartoffelknödel halb und halb in Kochbeuteln, die lege ich schon mal in kaltes Wasser. Wenn der Wirsing weich ist, gebe ich kleingeschnittene Mango dazu, ein paar Rosinen und getrocknete cranberries. Die Soße wird abgeschmeckt mit Salz und Pfeffer, noch mehr Ras-el Hanout und etwas Wildfond und Sahne, angedickt nach Bedarf mit Soßenbinder. Ich lasse das Ganze nochmal eben im offenen Topf aufkochen und gieße es über die nach Vorschrift bereiteten Kartoffelknödel in eine große Schale.

Neu, anders und lecker.

Auf der Insel das typische Silvesterwetter:
klar, kalt, fast windstill, brilliant.

Die Farben in der schrägen Sonne pudrig-golden,
das Blau von Meer und Himmel transparent und ganz weit.

Im Watt sammelt sich Wasser, das gefriert und
neue Strukturen hervorbringt.

An Weihnachten sahen wir zum zigsten mal Fanny und Alexander, den Film von Ingmar Bergman, diesmal in der 5-Stunden-Fassung, die es jetzt neu auf DVD gibt.

Am Ende zitiert die Prinzipalin des Theaters August Strindberg:

„Alles kann geschehen, alles ist möglich und wahrscheinlich.
Die Gesetze von Raum und Zeit sind aufgehoben;
die Wirklichkeit steuert nur eine geringfügige Grundlage bei,
auf der die Phantasie weiter schafft und neue Muster webt;
ein Gemisch von Erinnerungen, Erlebnissen, freien Erfindungen,
Ungereimtheiten und Improvisationen.“

August Strindberg: Ein Traumspiel